Andacht

    Andacht für die Gemeindebriefe Weser und umzu (Sommerausgabe)
Zu Apostelgeschichte 10,28

Manche Verse aus der Bibel könnte man auch an ganz anderer Stelle vermuten: Dieser hier würde in seiner Aussage auch in die Erklärungen von Menschenrechten, Parteiprogrammen oder Schulbüchern passen. Tatsächlich gehört er in die Erzählung der Apostelgeschichte, die für uns als Christen heidnischen Ursprungs einen entscheidenden Unterschied ausmacht. Petrus hat einen, für ihn chaotischen, Traum, im dem er aufgefordert wird, Tiere zu essen, die in der jüdischen Küche absolut auf dem Index stehen. Trotzdem hat er den Eindruck, dieser Traum ist nicht ohne Bedeutung. Mitten in seiner Ratlosigkeit treffen drei Männer ein, die im Namen des Römers Cornelius, um einen Besuch Petrus bei ihrem Auftraggeber nachsuchen. Cornelius, ein religiös aufgeschlossener Mensch, hatte nämlich wiederum eine Vision Gottes, die ihn aufforderte, eben diesen Simon Petrus herzubitten. Nun geht Petrus auf, was Gott hier zusammenbringt: Heiden, wie Cornelius, die dringend nach der Erlösung durch Gott in Jesus fragen. Und Christen jüdischen Glaubens, die ihnen aus unmittelbarer Anschauung und Erfahrung eben diese gute Nachricht von Jesus verkünden können. Petrus merkt, dieser wunderbaren Vorbereitung Gottes muss er folgen. Darum springt er über seine inneren Hemmnisse von Gewohnheit, Vorbehalt und Tradition und geht einfach in das Haus des Cornelius mit hinein. Normalerweise hätte das nämlich eine fast unüberwindbare Klippe bedeutet; nach jüdischer Vorstellung verunreinigte sich Petrus, wenn er sich mit Heiden unter einem Dach aufhielt. Cornelius wird von der Liebe und Begeisterung des Petrus für Jesus erreicht, er und sein Haushalt werden die ersten offiziellen Christen, die zuvor Heiden waren. Möglich war dieser Schritt durch Erkenntnis und Bekenntnis des Petrus: Ich habe verstanden, dass Gottes Liebe grenzenlos ist. Dass seine Güte sich allen Menschen zuwendet und dass mir darum kein (Vor)Urteil über einen Mitmenschen zusteht. Grundsätzliche Ausgrenzung und Ablehnung eines anderen ist ab diesem Zeitpunkt für Christen nicht mehr möglich.

Eine Wurzel gegenseitiger Achtung der Würde des jeweils anderen, kommt also nicht aus der so häufig verpönten political Correctness, sondern aus diesem Heilsmoment der frühen Christenheit. Die Einstellung, zunächst einmal dem anderen zu trauen und ihn nicht zu verteufeln, ist daher eine christliche Entscheidung. Und zwar eine, die immer neu eingeübt werden muss – auch in unseren Gemeinden! Ich freue mich über diese Tradition und bin stolz auf sie. Ich hoffe, dass es Ihnen ebenso ergeht, grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen Gottes Segen!

Pastorin Ruthild Steinert